Fast 150 Jahre Mühle in Damm

Die Dammer Windmühle steht unter Denkmalschutz

Windmühlen gehören zum charakteristischen Erscheinungsbild der niederrheinischen Landschaft. Auch die Dammer Windmühle, die an der Bundesstraße 58 und an der überregionalen Fahrradstrecke „Route der Industriekultur“ liegt, verrät den Passanten ein Stück Wirtschaftsgeschichte aus jenen Tagen, als es noch keine elektrisch betriebenen Motoren gab und Mühlen die einzigen Antriebsmaschinen waren, um den Menschen auf dem Lande und in der Stadt im wahrsten Sinne des Wortes zu ihrem täglichen Brot zu verhelfen.

So zeigte sich die dammer Windmühle am 18. August 2012 von der Südostseite aus. Foto: Helmut Scheffler
So zeigte sich die dammer Windmühle am 18. August 2012 von der Südostseite aus. Foto: Helmut Scheffler

Die Geschichte der Dammer Mühle ist nur schwer nachzuvollziehen, da alle im Besitz der Familie Holtmann befindlichen Unterlagen gegen Ende des Zweiten Weltkrieges verbrannten. Hans Vogts Hinweis im niederrheinischen Windmühlenführer, die Mühle sei um 1880 von Wilhelm Holtmann errichtet worden, widerspricht der gemeindlichen Darstellung. Danach soll die Mühle um 1830 errichtet worden sein. Die Angabe dieses Datums passt zwar besser zur Mühlengeschichte des Schermbecker Raumes, ist aber, wie im Jahre 2014 dank der Unterstützung von Hans Terstegen und Hugo Winck belegt werden konnte, auch nicht richtig.

Preußische Wirtschaftspolitiker beschlossen im Gefolge der napoleonischen Befreiung vom Mühlenbann in einem Edikt vom 28. Oktober 1810 die endgültige Aufhebung des Mühlenbanns. Danach schossen Mühlen wie Pilze aus dem Boden. Gegen das für die Dammer Mühle genannte Baudatum von 1830 spricht ein Einwand des Bürgermeisters Maassen aus dem Jahre 1836. In der Aufzählung bereits vorhandener Mühlen werden zwar die Mühlen in Peddenberg, Haus Esselt, im Dorf Brünen, beim Gut Venninghausen, in Lackhausen, Marienthal und Raesfeld genannt, nicht aber eine Mühle im näher liegenden Damm.

Der Brichter Hugo Winck und der Dammer Hans Terstegen fanden in ihren Dokumenten mehrere Schriftstücke, die dazu beitrugen, die Entstehung der Dammer Mühle exakter zu terminieren. Die Dokumente belegen, dass es vier Betreiber einer „Mühlen-Companie“ gab: Johann Terstegen (auch Stegen) aus Damm, Johann Capell (auch: Cappell und Kapell) aus Schermbeck, Wilhelm Rittmann und Johann Schüring aus Bricht. Diese vier „Companenten“ schlossen am 1. Mai 1863 einen „Contract“ (Vertrag) mit dem Mühlenmeister Henrich Bülsebrück (auch Bülzebruck) aus Brünen. Der Vertrag weist aus, dass eine massive Turm-Windmühle errichtet werden sollte.

Diese Aufnahjme und das Beitragsbild entstanden am 18. April 2015. Fotos: Helmut Scheffler
Diese Aufnahme (Ostseite der Mühle) und das Beitragsbild (Südseite der Mühle) entstanden am 18. April 2015. Fotos: Helmut Scheffler

Die von Hugo Winck und von Hans Terstegen vorgelegten Dokumente belegen, dass bereits am 9. April und am 7. Juli 1863 Johann Terstegen 50 bzw. 125 Thaler als Abschlag an den Mühlenmeister Bülzebruck zahlte. Einem anderen Schriftstück kann man entnehmen, dass im August und im September 1863 insgesamt 30 Malter Kalk geliefert wurden. Im Januar 1865 mussten Glaserarbeiten und das Beschriften von Säcken bezahlt werden. Am 23. Oktober 1865 quittierte Bülzebruck die weitere Zahlung eines Teilbetrages. Ein Fr. Heckermann aus Bricht bescheinigte am 10. November 1866 die Zahlung von 80 Thaler für erledigte Maurerarbeiten. Segeltuch für die Flügel oder für die Herstellung von Säcken wurden am 17. April 1867 geliefert. Zu dieser Zeit wird der Mühlenbau wohl abgeschlossen worden sein.

Auf der Basis der Dokumente in den Häusern Winck und Terstegen war eine gezielte Suche im Schermbecker Gemeindearchiv möglich. Vielleicht war ja irgendwo eine Art Bauantrag aus den 1860er-Jahren zu finden. Tatsächlich. Die von Berthold Schmeing vorgelegte Akte 899 befasst sich mit dem Bau der Dammer Windmühle und beinhaltet neben einem Lageplan die vom Zimmermeister D. Bussmann vorgelegte Beschreibung.

Der Brichter Hugo Winck und der Dammer Hans Terstegen fanden in ihren Dokumenten mehrere Schriftstücke, die dazu beitrugen, die Entstehung der Dammer Mühle exakter zu terminieren.  Foto: helmut Scheffler
Der Brichter Hugo Winck und der Dammer Hans Terstegen fanden in ihren Dokumenten mehrere Schriftstücke, die dazu beitrugen, die Entstehung der Dammer Mühle exakter zu terminieren. Foto: helmut Scheffler

Die Akte beginnt mit einem Schreiben des Bürgermeisters Maassen vom 19. Juni 1862 an das „Königliche Landrathsamt“. Als Begründung für den Bauwunsch nannte Maassen die weite Entfernung zu den bestehenden Wassermühlen am Gietling und in Schermbeck. Maassen teilte dem Amt außerdem mit, dass Johann Terstegen ein Grundstück auf dem Rahm zur Verfügung stellen würde. Auf diesem 4 Morgen und 26 Ruthen großen Grundstück sollte eine [i]„massive Windmühle zum Getreidemahlen“[/i] errichtet werden. Die Offenlage erfolgte am 28. Juni 1862. Genau 14 Tage lang hatten die Bewohner Gelegenheit, Einwendungen vorzubringen. Am 19. Juli 1862 wurde die Baugenehmigung erteilt.

Die dammer Windmühle am 30. April 2010 von der Nordseite fotografiert. Foto: Helmut Scheffler

Seit 1888 ist der Backsteinrundbau im Besitz der Familie Holtmann gewesen. Das Gebäude besitzt einen unteren Durchmesser von 8,30 Meter und eine Höhe von 10,50 Meter (ohne Flügel). An allen vier Seiten befanden sich ursprünglich Toreinfahrten, die später zum Teil mit Backsteinen zugemauert wurden. Die Turmhaube ließ sich in jenen Zeiten, als die Mühle noch in Betrieb war, über einen Rollenkranz bewegen, sodass die Flügel in die jeweilige Windrichtung gedreht werden konnten.
Schon vor dem Zweiten Weltkrieg wurde die Dammer Mühle nicht mehr mit Windkraft betrieben. [i]„Es ist aber in Aussicht genommen, bei dieser Mühle den Windbetrieb wiederaufzunehmen“[/i], schrieb der rheinische Landeskonservator im Kriegsjahr 1941. Die schadhafte und undichte Haube wurde neu verschalt und provisorisch mit Pappe gedeckt, um die innere Einrichtung der Mühle zu schützen. 400 Reichsmark wurden für diese Maßnahme im Rechnungsjahr 1940 bewilligt.

Der Krieg setzte den optimistischen Bestrebungen der Denkmalpfleger ein jähes Ende. Zur Wiederaufnahme des Mühlenbetriebes ist es bis heute nicht mehr gekommen. Während die Inneneinrichtung irreparabel geworden war, wurde der Mühlenturm 1983 mit neuen Flügeln versehen. Bereits Ende der 1970er-Jahre entstanden dem Eigentümer erhebliche Aufwendungen zur Erhaltung des Gebäudes. 1982 wurden im Haushaltsplan der Gemeinde Schermbeck 5.000 DM für Instandsetzungsarbeiten bereitgestellt. Im Jahre 1983 wurde das Geld zur Teilfinanzierung neuer Flügel benötigt. Die Erneuerung der Mühlenflügel wurde jedoch erst möglich, als die Verbands-Sparkasse Wesel 20.000 DM aus ihrer Jubiläumsstiftung für das Dammer Mühlenprojekt zur Verfügung stellte. Ein Dingdener Mühlenbauer stellte die vier Flügel aus Eichen- und Lärchenholz her. Am 6. Oktober 1983 hob ein Autokran die vorgefertigten Teile in ihre Verankerung.

Am 6. Oktober 1983 erhielt die Dammer Windmühle wieder Flügel. Foto: Helmut Scheffler
Am 6. Oktober 1983 erhielt die Dammer Windmühle wieder Flügel. Foto: Helmut Scheffler

Der Eindeckung der Mühle folgten weitere Renovierungsarbeiten, die mit Landesmitteln bezuschusst wurden. Im Jahre 1984 wurden das Mauerwerk mit Kalktrassmörtel verfugt und neue Fenster eingepasst. Im Oktober 1986 wurde ein zweiflügeliges Tor an der Ostseite eingebaut; die Kosten in Höhe von 1.200 DM wurden je zur Hälfte vom Land Nordrhein-Westfalen und von der Gemeinde Schermbeck aufgebracht.

Am 12. April 1984 wurde die Dammer Windmühle als Baudenkmal Nummer zwei in die gemeindliche Denkmalliste eingetragen. In der Begründung hieß es unter anderem, die Mühle sei ein „bedeutendes Denkmal der frühen Mühlenkultur“. Helmut Scheffler

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Heimatreporter
Unter der Artikel-Kennzeichnung "Heimatreporter" postet der Schermbeck-Dammer Helmut Scheffler seit dem Start dieser Online-Seite im Jahre 2013 Artikel über vergangene und gegenwärtige Entwicklungen der Großgemeinde Schermbeck. Seit 1977 schreibt der inzwischen pensionierte Mathematik- und Erdkundelehrer für Lokalzeitungen. 1990 wurde er freier Mitarbeiter des Lokalfunks "Radio Kreis Wesel", darüber hinaus hat er seit 1976 zahlreiche Bücher und Aufsätze zur Geschichte Schermbecks in niederrheinischen und westfälischen Schriftenreihen veröffentlicht. 32 Jahre lang war er Redakteur des "Schermbecker Schaufenster". Im Jahre 2007 erhielt er für seine niederrheinischen Forschungen den "Rheinland-Taler" des Landschaftsverbandes Rheinland.