Anfrage der Grünen Fraktion Schermbeck an Landrat Ingo Brohl: Wie lässt sich ein Wolfsgebiet und die Modellregion Ökolandbau vereinbaren?
Am 8.07.2021 wurden die Kreise Wesel und Kleve auf Grund ihrer gemeinsamen Bewerbung vom Ministerium für Umwelt, Landwirtschaft, Natur- und Verbraucherschutz als eine der drei Modellregionen für Ökolandbau in NRW ausgewählt. Eine Entwicklung, die wir außerordentlich begrüßen, bedeutet sie doch sowohl mehr Tierwohl als auch mit der ökologischen extensiven Weidelandbewirschaftung einen Gewinn für die Artenvielfalt.
Im gemeinsamen Bewerbungskonzept des Kreises Wesel und Kleve heißt es: Als starke Grünlandregion, mit jedoch zurückgehender Weidenutzung; bei gleichzeitiger Intensivierung der Nutzung von Wiesenflächen zur Futtergewinnung, sehen die beiden Kreise besonderen Handlungsbedarf. Der Schutz der niederrheinischen Kulturlandschaft soll durch die Umstellung der Tierhaltung und der damit verbundenen erhöhten Weidenutzung erreicht werden…“.
Und weiter: „Im Jahr 2016 hielten 1900 Betriebe Nutztiere, so dass es sich bei der weitaus überwiegenden Zahl der Landwirte der beiden Kreise um Tierhalter handelt“.
Im vorgelegtem Konzept wird darauf hingewiesen, dass, wenn auch in den vergangenen Jahren bereits einige Betriebe erfolgreich die Umstellung auf eine ökologische Bewirtschaftung angegangen sind, dass am Niederrhein – auch im Landes-und Bundesvergleich – hier noch erheblicher Nachholbedarf bestehe. Besonders mit dem Schwerpunkt, Biomilch und Weidewirtschaft‘ könne die Öko-Modellregion Niederrhein einen besonderen Modellcharakter erwerben.
Der Maßnahmenplan zur Zielerreichung beinhaltet auch, dass für eine tierwohlorientierte Nutztierhaltung in allen tierhaltenden Betrieben u.a., was die Ausweitung der Beweidung von extensiv genutztem Grünland, insbesondere in den Natura2000 und Naturschutzgebieten und weiterer Ausbau der Öko-Weidehaltung betrifft. Insbesondere in den Mutterkuh- und Milchviehbetrieben. Weitere Zielsetzung sollte eine Stroh- und Freilandhaltung von Schweinen und von Weidehaltung von Rindern sein. Und auch im Bereich der Schafzucht sollte die weitere Ansiedlung von Milchschaf- und Milchziegenbetrieben gefördert werden.
Die aktuelle Situation
Zu der bestehenden Situation teilen die Grünen mit, dass im Januar 2019 Teile des Kreises Wesel zum Wolfsgebiet ernannt wurden. Zunächst war es nur eine Wölfin, die aber sehr schnell durch Risse von Schafen auf sich aufmerksam machte.
Inzwischen jedoch habe sich die Wolfspopulation, so die Grüne Fraktionsvorsitzende Ulrike Trick, in den zum Wolfsgebiet gehörenden Kommunen Schermbeck, Hünxe, Dinslaken, Voerde, Wesel (rechtsrheinisch) und Hamminkeln vergrößert. Durch zahlreiche Risse von Schafen, Damwild und auch Kleinpferden von zieht sie heute die Aufmerksamkeit auf sich.
Viele Hobbyzüchter, insbesondere von Schafen, haben aufgegeben und ihre Tiere in andere Regionen abgegeben. Schafzüchter haben ihre Weiden mit hohen Zäunen versehen, die auch für Wildtiere nicht zu überwinden sind. Immer häufiger werden Weidezäune gänzlich von den Landwirten entfernt, um effektiver mähen zu können, weil die Tiere nicht mehr auf die Weide gelassen werden und die Fütterung durch gemähtes Weidegras erfolgt.
Keine Chance für Bodenbrüter und Niedrigwild
Diese sei laut Trick eine aufwendige, teure und unökologische Art der Viehfütterung. Zur Ertragssteigerung werden diese ursprünglich extensiv beweideten Flächen häufiger gedüngt, um mehrfach mähen zu können. Bodenbrüter und Niederwild haben auf diesen Flächen keine Chance. Aus der Sicht vieler Landwirte sei dies aber nachvollziehbar, denn sie fürchten nicht nur direkte Wolfsangriffe auf ihr Vieh, sondern auch Zaundurchbrüche, wenn die Herde in Panik gerät, weil ein Wolfsrudel um die Zäune streicht. Eine solche Viehherde hält kein Zaun auf und in dieser dichtbesiedelten Gegend sind die Tiere schnell auf einer stark befahrenen Straße und gefährden dort den Verkehr.
„Das bedeute aber eine Umkehr von der Weidehaltung hin zur Intensivierung der Wiesenflächen zur Futtergewinnung und ist damit konträr zum vorgelegten Bewerbungskonzept“, so Trick.
Deshalb sei die Förderung von Beweidung in den Natura2000 und Naturschutzgebieten ist im gesetzlichen Rahmen jedoch nicht möglich, da die erforderliche Höhe für einen wolfsabweisenden Zaun die genehmigungsfähige Höhe übertrifft.
Entwicklung der Wolfspopulation
Die Landwirte in beiden Kreisen sehen mit Besorgnis die weitere Entwicklung der Wolfspopulation,. außerdem sei noch zu erwarten, dass sich auch in bisher noch nicht betroffenen Kommunen der beiden Kreise Wölfe ansiedeln werden. Vorfälle wie aktuell in der Altmark, wo Wölfe einer Mutterkuh tagsüber während der Geburt zwei neugeborene Kälber entrissen, machen schnell die Runde unter Landwirten. Diese Vorfälle würden laut Trick kaum dazu beitragen, den eigenen tierhaltenden Betrieb auf ökologische Bewirtschaftung umzustellen.
Für ökologisch wirtschaftende Landwirte ergibt sich eine noch größere Problematik, da diese nicht auf Futtergewinnung durch Mähen ausweichen können, sondern den entsprechenden Weidegang gewähren müssen, wenn sie nicht die Zertifizierung verlieren wollen. Die Arbeit vieler Jahre wäre dann vergeben.
7,5 Mio. Euro Kosten für Präventionsmaßnahmen nur in Schermbeck
Laut Einschätzung der Ministerin hinsichtlich der Kosten für die Präventionsmaßnahmen bei der Pferdehaltung (7,5 Mio. € nur für Schermbeck) lasse sich erahnen, dass wolfsabwehrende Maßnahmen für Viehhalter ein Vielfaches an Kosten verursachen werden. Beispielsweise Niedersachsen: Hier seien die Kassen für dieses Jahr bereits leer.
Trick ist sich sicher, dass alle diese Nachrichten auch in Kreisen der Landwirte kursieren und zu einem Meinungsbild hinsichtlich einer Umstellung auf ökologische Tierhaltung beitragen werden.
Ulrike Trick: „Sehr geehrter Herr Landrat, als die Bewerbung für die Modellregion Ökolandbau erstellt wurde, war ihrem Haus bekannt, dass es sich in Teilen des Kreises Wesel um ein anerkanntes Wolfsgebiet handelt. Wir gehen davon aus, dass mit der Erstellung des Bewerbungskonzeptes auch Strategien entwickelt wurden, wie man die Anforderungen und Bedingungen an eine ökologische Nutztierhaltung und die Gegebenheiten in einem Wolfsgebiet mit einander vereinbart“.
Da die Grünen im Konzept dazu keine Aussage finden, bitten sie den Landrat um eine Stellungnahme hinsichtlich seiner beabsichtigen angestrebten Ziele, wie eine Ausweitung der ökologischen Tierhaltung im Wolfsgebiet zu erreichen seien.
Ein gleichlautendes Schreiben geht auch an die Ministerin für Umwelt, Landwirtschaft, Natur-und Verbraucherschutz (LANUV), Ursula Heinen-Esser.