Von der „Körbehörde“ zur Zulassungsstelle für Nutztiere

Ohne Landwirtschaft gäbe es keine Lebensmittel – eine einfache Wahrheit, die in Zeiten des Überflusses leicht in Vergessenheit gerät. Dem Wandel und der Entwicklung in der Landwirtschaft und Tierhaltung ist es zu verdanken, dass heute dem Verbraucher ein großes Angebot an qualitativ hochwertigen Produkten zur Verfügung steht.

Im Tierzuchtgesetz von 1947 war festgelegt, dass die Kreisverwaltungen als Träger der sogenannten „unteren Körbehörden“ verantwortlich für die Tierzucht waren. Im Gesetzestext war verankert, dass unter Androhung von empfindlichen Bußgeldern der Einsatz nicht gekörter (nicht dem Zuchtstandard entsprechender) Vatertiere verboten war. Die Kontrolle des korrekten Vatertiereinsatzes oblag den kreisbediensteten Tierzuchtberatern der Züchterzentrale. Dabei kam es nicht nur zu Diskussionen, sondern mitunter auch zu Situationen, in denen der Landwirt als Argumentationshilfe auch zur Mistgabel griff.

von_der_koerbehoerde_zur_zulassungsstelle_fuer_nutztiereDamals war es nicht wie heute üblich, dass ein positives Körurteil auf Lebenszeit des Tieres vergeben wurde. Die Vatertiere aller Sparten (Pferde, Kühe, Schafe, Schweine) mussten sich auf den von den Kreiszüchterzentralen ausgerichteten jährlichen Vatertierschauen erneut die Qualifikation für den weiteren Einsatz als Zuchttier erwerben.

Mit zunehmender Bedeutung der künstlichen Besamung in den sechziger und siebziger Jahren über alle Tiersparten hinweg ließ sich durch den globalen Einsatz und Austausch der Vatertiergenetik die Leistung deutlich steigern.

Mitte der achtziger Jahre griff dann die EU-weite Milchquotenregelung. Damit war dem bisherigen Wachstum der Milchviehbetriebe eine fixe Grenze gesetzt worden. Dies führte in jenen Jahren auch dazu, dass sich das Aufgabengebiet der Kreistierzuchtberater wandelte: Von der Kontrollfunktion hin zum Berater und Unterstützer der heimischen Familienbetriebe. Bedingt durch die neuen Rahmenrichtlinien der EU waren gerade die mittelständischen Betriebe in eine existenzbedrohende Lage geraten.

Auf Initiative der Kreistierzuchtberater wurden in den achtziger Jahren jährlich tausend und mehr Zuchttiere in den Export verkauft, um so die Einkommenssituation der Milchviehbetriebe zu verbessern.

Aus dieser Unterstützungsarbeit ging auch die rheinische Schweinevermarktungsorganisation REG aus den Kreiszüchterzentralen Wesel und Kleve hervor. Diese ist heute, mittlerweile in eigenständiger Funktion, eine der bedeutendsten Vermarktungsorganisationen für Nutzvieh im Rheinland.

In den neunziger Jahren wurde dann im Bereich der Fleischrinderzucht durch sehr innovative Landwirte und die Kreistierzuchtberater Pionierarbeit geleistet. Um die Verletzungsgefahren von Mensch und Tier zu minimieren, wurde der Focus auf die Zucht hornloser Rinder gelegt. Eine Reise nach Kanada, dem damaligen Vorreiter der Hornloszucht, wurde organisiert und natürlich hornlose Zuchttiere fanden in Wesel ihre neue Heimat. Auf diese Zuchttiere baut sich bis heute eine bundesweit führende Hornloszucht in den Weseler Fleischrinderzuchtbetrieben auf.

Die Kreiszüchterzentrale ist auch tätig bei präventiven Maßnahmen zur Vermeidung von Tierseuchen und Tierkrankheiten. Beispielhaft sei hier das seit der BSE-Krise umfangreiche Screening-Programm in den Weseler Schafherden aufgeführt. Mit zusätzlicher finanzieller Unterstützung des Kreises konnte erreicht werden, dass frühzeitig ausschließlich krankheitsunverdächtige Zuchttiere zum Einsatz kommen. Hierdurch konnte national ein enormer Fortschritt im Sinne des Verbraucherschutzes erzielt werden.

Mit der intensiven Zuchtarbeit in den Familienbetrieben konnten in den letzten Jahrzehnten überragende tierzüchterische Erfolge auf nationaler und internationaler Ebene erreicht werden.

So verleiht die Landwirtschaftskammer NRW seit über 60 Jahren den Hans-von-Bemberg-Preis an Landwirte, die durch ihre innovative Arbeit Höchstleistungen auf dem Gebiet der Tierzucht erreicht haben. Alleine elf Mal wurde der begehrte Preis an Tierhalter des Kreises Wesel vergeben.

Die Landwirtschaft ist in den letzten Jahrzehnten stets leistungsfähiger geworden. 1950 ernährte ein Landwirt zehn Menschen, heute sind es rund 150.

Das Aufgabengebiet der Kreistierzuchtberatung verlagert sich zunehmend in den Bereich der Beratung und des Service. So wie das KFZ an der Zulassungsstelle angemeldet wird, müssen die Pferdehalter ihre Pferde über die Kreiszüchterzentrale, der EU-Verordnung entsprechend, registrieren und kennzeichnen lassen. Die Landwirtschaftsförderung durch den Kreis mit der Institution Kreiszüchterzentrale hat sich seit ihrem Bestehen auf die Unterstützung der zukunftsorientiert nachhaltig wirtschaftenden bäuerlichen Familienbetriebe fokussiert. So prägen und erhalten diese Betriebsstrukturen bis heute und auch in Zukunft das Landschaftsbild und damit das Kulturgut der Niederrheinischen Tiefebene, ohne in eine industrielle landwirtschaftliche Produktion abzudriften. Nur durch die intensive Beratung der das Grünland nutzenden Tiersparten (Schaf-, Pferde- und Rinderhaltung) ist es möglich, einen hohen Anteil an Dauergrünland zu erhalten.

Quelle: Text und Foto Kreis Wesel

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