Sie vermissen Ihr gewohntes Medikament?

Wir auch…!

Sie gehen in die Apotheke und möchten Ihr Rezept einlösen – so weit, so gut. Aber in letzter Zeit werden Sie häufig folgende Sätze hören: „Das Medikament ist nicht lieferbar“ oder „Wir müssen Ihnen das Medikament von einem anderen Hersteller geben.“ Manchmal bekommen Sie Ihre Arznei erst nach einigen Tagen oder sogar gar nicht.

Im Folgenden möchten wir Sie darüber aufklären, was momentan in der Welt der Arzneimittel und Hersteller nicht ganz rund läuft, denn es gibt gerade mehrere Probleme, die für sich alleine gesehen klein, aber durch Kombination mit Weiteren so groß geworden sind, dass wir Ihnen oft nicht mehr wie gewohnt Ihre bekannten Medikamente geben können.

Problem 1: Das Wirkstoff-Dilemma

Die meisten Wirkstoffe für Tabletten und Co werden von sehr wenigen (oft nur 2 oder 3) Herstellern produziert und dann von den Tabletten-Machern (Pharmafirmen) eingekauft. Fällt einer dieser Wirkstoff-Hersteller aus, z.B. wenn die Firma einem Brand oder einer Umweltkatastrophe zum Opfer fällt, dann fehlt der Wirkstoff auf der ganzen Welt.

Sie können das vergleichen mit einem Bäcker, dem das Mehl für die Brötchen fehlt. Dann muss der Wirkstoff möglichst gerecht auf die Hersteller der Arzneien verteilt werden. Das ist aber nicht ganz einfach, da jede Pharmafirma die Wirkstoffe am dringendsten benötigt. Außerdem lässt die Knappheit die Preise steigen, so dass einige Hersteller, die viele Arzneimittel für die ärmeren Länder produzieren, leider leer ausgehen.

Die Hersteller der Wirkstoffe tun, was möglich ist, können aber nicht so einfach und schnell größere Mengen produzieren. Außerdem haben die Behörden dabei auch noch ein Wörtchen mitzureden. Und bis die neue Firma steht und wieder ausreichend Wirkstoff herstellen kann, gehen gut und gerne fünf Jahre ins Land.

Und dann müssen die wenigen Tabletten, die es noch gibt, gerecht unter allen Ländern und Apotheken verteilt werden. Das passiert aktuell bei Tabletten mit dem Wirkstoff Ibuprofen, die hier in Deutschland zu den meistverkauften Medikamenten gehören, und führt zwangsläufig zu großen Problemen.

Problem 2: Verunreinigte Arzneimittel

Vor einiger Zeit war in allen Zeitungen zu lesen, dass in Medikamenten mit dem Wirkstoff Valsartan Verunreinigungen enthalten sein können und auf Grund der Verunreinigung ein erhöhtes Risiko für die Entstehung von Krebs bestünde. Daraufhin wurden fast alle Präparate, die diesen Wirkstoff enthalten, vom Markt genommen und die meisten Patienten auf ein anderes Medikament umgestellt.

Von diesen Verunreinigungen waren aber nur Tabletten bestimmter Arzneimittelhersteller betroffen, nämlich von denen, die den Wirkstoff bei einem bestimmten Wirkstoff-Produzenten in Indien eingekauft hatten. Der Wirkstoff wurde scheinbar nicht gründlich genug überprüft, bevor er in die ganze Welt verschickt wurde.

Nun muss man wissen, dass diese Verunreinigungen nicht die Hygiene- und die Arbeitsschutzzustände in der Firma und dem Land betreffen, sondern ein unerwünschtes Nebenprodukt bei der Herstellung des Wirkstoffs selbst.

Die Produktion eines Wirkstoffs läuft folgendermaßen ab:

In einem komplizierten Verfahren werden verschiedene chemische Stoffe zusammen in einem großen Gefäß zu einer Reaktion gebracht, bei der ein neuer Stoff entsteht: der Wirkstoff. Manchmal sind aber auch mehrere solcher Reaktionen hintereinander notwendig, um den Wirkstoff zu erhalten und dabei entstehen sogenannte Nebenprodukte, die auf Grund der chemischen Reaktion ebenfalls in dem großen Gefäß landen.

Diese Nebenprodukte sehen oft genauso aus wie der Wirkstoff, den man eigentlich haben möchte und lassen sich selbst mit modernen Systemen nur schwer erkennen und heraustrennen. Diese Nebenprodukte haben meist fast die gleiche chemische Struktur, nur an einigen kleinen Bausteinen unterscheiden sie sich vom gewünschten Wirkstoff.

In vielen Fällen sind diese Nebenprodukte weder schädlich, noch beeinflussen Sie die Wirkung des Arzneimittels. Manchmal aber eben doch, so dass in der Folge Medikamente hergestellt werden, die nicht nur den gewünschten Wirkstoff, sondern auch das unerwünschte Nebenprodukt – die Verunreinigung – enthalten.

Es gibt aber auch Hersteller von Wirkstoffen, die andere chemische Reaktionen verwenden, bei denen diese Verunreinigungen nicht auftreten. Daher gibt es einige Arzneimittel-hersteller, deren Medikamente von diesen Verunreinigungen nicht betroffen sind.

Diese Hersteller waren und sind aber nicht in der Lage, auf die Schnelle mehr Tabletten zu produzieren, also fehlen diese Mittel auf dem Markt und lösen damit das gleiche Problem aus wie die Pharmafirmen, die nicht an die Wirkstoffe selbst kommen können.

Außerdem führt die Rücknahme der betroffenen Medikamente zu einer massenhaften Umstellung auf andere Präparate, die dann oft nicht in ausreichender Menge auf dem Markt vorhanden sind.

Ganz aktuell werden auch Medikamente mit dem Wirkstoff Ranitidin vom Markt genommen, da die Tabletten einiger Hersteller ebenfalls Verunreinigungen bzw. unerwünschte Nebenprodukte enthalten.

Der Ruf nach besseren Kontrollen wird immer lauter, nur die Mühlen der Behörden mahlen langsam… 

Problem 3: Das SecurPharm-Dilemma

Sie haben es bestimmt schon auf Ihren Tabletten-Schachteln gesehen: ein kleines, schwarz-weiß-geflecktes Quadrat, der SecurPharm-2D-Matrix-Code. Das ist eine Art Mini-QR-Code, den sich die EU ausgedacht hat, um die Medikamente noch sicherer zu machen und den Fälschern von Arzneimitteln einen Riegel vorzuschieben.

Nun muss man wissen, dass wir in Deutschland die sicherste Arzneimittelversorgung weltweit haben und hier zum Glück nur ganz vereinzelt Fälschungen auftauchen.

Grundsätzlich ist die Idee sehr gut, jedes Medikament mit Hilfe eines einzigartigen Codes zu registrieren und damit zu jeder Zeit an jedem Ort identifizieren zu können. Allerdings bringt das neue System einige Probleme mit sich:

Die Frist zur Umsetzung der neuen EU-Richtlinie war sehr kurz und bis zur Einführung im Februar mussten alle Hersteller von Arzneimitteln ihr gesamtes Verpackungssystem umrüsten. Sämtliche Packungen, die seit dem Stichtag 9.Februar 2019 vom Hersteller ausgeliefert werden, müssen mit diesem Code bedruckt, in einem Online-System registriert und außerdem so versiegelt sein, dass sofort sichtbar ist, ob schon jemand die Packung geöffnet hat. Ist das Siegel beschädigt, muss die Packung entsorgt werden. Aber sicher ist sicher…

Außerdem dauert die Logistik in der Apotheke dadurch länger. Jede einzelne Packung wird direkt nach der Anlieferung eingescannt und von Hand überprüft. Dann muss jede Schachtel auf einem Online-Portal überprüft werden: Hat der Hersteller genau diese Packung produziert? Wenn ja, wird vom System gemeldet, dass die Packung abgegeben werden darf und sicher ist. Und wenn Sie Ihr Medikament in der Apotheke besorgen, muss es dem System nochmals gemeldet und ausgebucht werden.

Sollte dann irgendwo eine Packung mit demselben Code auftauchen, weiß man, dass es sich um ein illegal hergestelltes oder sogar gefälschtes Arzneimittel handelt. Dieses würde dann sofort den Behörden gemeldet und aus dem Verkehr gezogen.

Das alles wird für Ihre Gesundheit und Sicherheit gemacht, bedeutet aber für die Mitarbeiter in der Apotheke einen erheblichen Mehraufwand. Und die Technik spielt leider auch nicht immer mit…

Problem 4: Das Rabattverträge-Dilemma

Von den Rabattverträgen werden Sie als gesetzlich Krankenversicherter mit Sicherheit schon gehört haben. Diese Verträge werden zwischen den Krankenkassen und den Herstellern von Arzneimitteln geschlossen und sollen die Kosten und Ausgaben der Krankenkassen für Arzneimittel in Deutschland reduzieren. Das tun sie teilweise auch, aber leider mit einigen „Nebenwirkungen“:

Jede Krankenkasse gibt eine Liste mit hunderten Arzneimitteln aus, damit sich die Hersteller der einzelnen Arzneimittel dafür bewerben können, die Versicherten dieser Kasse zu versorgen. Das Ganze funktioniert genau wie eine öffentliche Ausschreibung, zum Beispiel für den Bau einer neuen Straße oder Schule. Allerdings wird hierbei nicht berücksichtigt, wie und wo der Hersteller seine Mittel produziert und auch der Umweltgedanke wird dabei völlig außer Acht gelassen.

Es geht nur um den Preis – wer am günstigsten liefern kann, bekommt den Zuschlag. Und dort fängt das Problem an, denn viele kleine Pharmafirmen überschätzen sich und sind damit auf Grund der Kürze der verbleibenden Zeit und ihrer technischen Ausstattung gar nicht in der Lage, alle Patienten mit ausreichend Arzneimitteln zu versorgen.

Einige große Krankenkassen sind daher mittlerweile dazu übergegangen, mehreren Herstellern die Erlaubnis zu erteilen, ihre Versicherten zu versorgen. Aber das Problem besteht auch weiterhin, da immer mehr kleine Pharmafirmen auf den Markt drängen und ein Stück des Kuchens abhaben möchten.

Problem 5: Das Brexit-Dilemma

Europa und die ganze Welt schauen nach Großbritannien: raus aus der EU oder doch nicht? Und wenn doch, wann?

Neben den politischen Rangeleien gibt es aber noch einige andere Probleme, denen sich die Briten stellen müssen: unter anderem dem Problem ihrer Versorgung mit Arzneimitteln, denn auf der anderen Seite des Ärmelkanals gibt es nur eine handvoll Hersteller von Arzneimitteln. Die Briten besorgen sich daher ihre Medikamente aus dem restlichen Europa und dort besonders aus Deutschland.

Wenn Großbritannien nun aber aus der EU austritt, ist dort die Versorgung mit Arzneimitteln gefährdet und niemand weiß, ob und wieviel die britischen Händler überhaupt noch besorgen können und zu welchem Preis.

Daher gibt es schon seit einiger Zeit in England riesige Medikamentenlager, in denen alles gesammelt wird, was voraussichtlich irgendwann einmal dort benötigt wird. Dafür zahlen die Briten ganz ordentlich, so dass jede Firma, die (vor allem teure) Arzneimittel herstellt, gerne dorthin verkauft.

Und was in den britischen Lagern verstaubt, kann nicht in den Schubladen Ihrer Apotheke liegen. Das ist sehr ärgerlich, aber leider nicht zu ändern.

Problem 6: Das Kosten(erstattungs)-Dilemma

Die meisten Hersteller von Medikamenten haben sich breit aufgestellt und produzieren Arzneimittel für ganz Europa oder sogar die ganze Welt. Das ist durchaus positiv, denn auch in den ärmeren Ländern sollen die Menschen die Möglichkeit haben, gesund zu werden und zu bleiben.

Und damit beginnt die Krux: Um Arzneimittel in Schwellenländern günstig zu verkaufen, muss das Geld an anderer Stelle wieder eingeholt werden, nämlich in Europa, den USA, Russland und China.

Da jedes Land mit den Herstellern eigene Preisverhandlungen führt, haben die Firmen „Lieblingsländer“, nämlich die, in denen viel Geld für Medikamente bezahlt werden kann oder muss. In kaum einem Land der Welt gibt es Krankenversicherungen, und schon gar nicht solche, die die gesamten Kosten für Arzneien und Therapien bezahlen. Damit können wir uns in Deutschland sehr glücklich schätzen.

Um unser Krankenversicherungssystem am Laufen zu halten, sind harte Preisverhandlungen mit den Arzneimittelherstellern an der Tagesordnung. Da setzt sich eine Runde aus Bundesregierung, Krankenkassen und Herstellern zusammen und verhandelt über den Preis jedes (verschreibungspflichtigen) Arzneimittels. Und dass die Hersteller dabei nicht immer das bekommen, was sich möchten, versteht sich. Sie sind aber per Gesetz dazu verpflichtet, die deutsche Bevölkerung und damit auch Sie mit ihren Mitteln zu versorgen.

Also kann man sich vorstellen, wie ein international tätiger Arzneimittelhersteller arbeitet: Er produziert Ware, verkauft sie zu einem maximal möglichen Preis in andere Länder und der kleine Rest muss ausreichen, um den deutschen Markt zu versorgen. Nur leider reicht dieser Rest oft nicht. Die Medikamente sind zwar produziert und auf dem Weltmarkt vorhanden, werden aber lieber an die Öl-Scheichs in Saudi-Arabien oder die reichen Russen und Chinesen verkauft.

Der Hersteller behält ein Kontingent für unsere Versorgung in Deutschland bereit, das ist aber sehr oft viel zu klein, um alle Patienten ausreichend zu behandeln.

Daher müssen die Mitarbeiter der Apotheke in letzter Zeit viel Zeit und Energie investieren, um an solche Medikamente zu gelangen. Diese sind nicht einfach über einen Großhändler bestellbar, sondern nur über spezielle Firmenportale. Damit dauert es bis zu einer Woche, bis die Medikamente in der Apotheke eintreffen. Und reglementiert sind sie auch noch, das heißt, man kann pro Woche oder Monat nur eine bestimmte Anzahl an Packungen einkaufen.

Was machen wir nun, wenn diese Menge nicht ausreicht, weil viele Patienten das Medikament benötigen? Wir machen uns an die Arbeit und versuchen, aus Notfalldepots, von Firmen und von Kollegen an die benötigten Arzneimittel zu kommen. Das kostet uns sehr viel Zeit und auch oft Nerven. Aber wir machen das, weil uns Ihr Wohl und Ihre Gesundheit am Herzen liegen.

Wir tun alles, damit Sie Ihre Medikamente schnell und in einwandfreier Qualität bekommen. Aber wie Sie sehen, ist das oft nicht so einfach.

Bitte haben Sie Verständnis für die Mitarbeiter in der Apotheke, denn sie sind letztendlich nur das Ende einer sehr langen Kette, an deren Gliedern es mächtig scheppert.

Danke für Ihr Vertrauen!

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