Nur wenige Frauen sitzen im Schermbecker Gemeinderat

Vor 100 Jahren durften deutsche Frauen noch nicht wählen
Schermbeck Als am 25. Mai 2014 in Schermbeck der Gemeinderat und der Bürgermeister gewählt wurden, durften Schermbecker Frauen ebenso selbstverständlich wie Männer zur Wahlurne schreiten wie bei Kreistags-, Landtags- und Bundestagswahlen.

Das war nicht immer so. Daran erinnern im im Rahmen des diesjährigen Festes „Schöne alte Weihnachtszeit“ Frauen jener drei Gymnastikgruppen des Netzwerkes, die von Kerstin Andres geleitet werden. Sie wollen – als Frauen aus dem frühen 20. Jahrhundert auftretend – ein Frauenwahlrecht einfordern. In den letzten Wochen haben sie eifrig Plakate gemalt. Diese Plakate wollen die Frauen zeigen, wenn sie sich um 13.30 Uhr an der Volksbank treffen und dann einmal die Mittelstraße rauf- und runtergehen werden.

Für ihren Auftritt am 9. Dezember 2017 haben die Frauen der Gymnastikgruppen des Netzwerkes schon Plakate mit der Einforderung eines Frauenwahlrechtes angefertigt. Foto: Helmut Scheffler

18. Jahrhundert

Der Kampf um das Frauenwahlrecht reicht bis ins 18. Jahrhundert zurück. Für Olympe de Gouges, die sich während der französischen Revolution im Jahre 1791 mit ihrer Publikation zu den Rechten der Frau an die Öffentlichkeit wandte, endete der Mut allerdings im November 1793 mit einer Hinrichtung.

Als erste Stadt der Welt führte die kolumbianische Stadt Vélez im Jahre 1853 das Frauenwahlrecht ein. Wyoming war der erste Staat, der 1869 Frauen an Wahlen teilnehmen ließ. In Deutschland dauerte es bis ins frühe 20. Jahrhundert. Als Geburtsstunde des deutschen Frauenwahlrechts wird der 12. November 1918 angesehen. In einem an diesem Tag verfassten Aufruf an das deutsche Volk heißt es: „Alle Wahlen zu öffentlichen Körperschaften sind fortan nach dem gleichen, geheimen, direkten, allgemeinen Wahlrecht auf Grund des proportionalen Wahlsystems für alle mindestens 20 Jahre alten männlichen und weiblichen Personen zu vollziehen.“

Nationalversammlung

Reichsweit konnten danach Frauen erstmals am 19. Januar 1919 Frauen kandidieren und wählen. Von den 300 kandidierenden Frauen wurden 27 gewählt. Zur gesamten Nationalversammlung gehörten 423 Abgeordnete. Die meisten dieser 27 gewählten Frauen stammten aus den Reihen der SPD. Die Berliner Sozialdemokratin Marie Juchacz war die erste deutsche Frau, die in der Weimarer Nationalversammlung am 19. Februar 1919 sprach: „Ich möchte hier feststellen …, dass wir deutschen Frauen dieser Regierung nicht etwa in dem althergebrachten Sinne Dank schuldig sind. Was diese Regierung getan hat, das war eine Selbstverständlichkeit: sie hat den Frauen gegeben, was ihnen bis dahin zu Unrecht vorenthalten worden ist.“

Für ihren Auftritt am 9. Dezember 2017 haben die Frauen der Gymnastikgruppen des Netzwerkes schon Plakate mit der Einforderung eines Frauenwahlrechtes angefertigt. Foto: Helmut Scheffler

Formal wurde zwar nach dem Zweiten Weltkrieg im Artikel 3 des Grundgesetzes verankert, dass Männer und Frauen gleichberechtigt sind, aber in der Praxis zeigt sich im Bereich des passiven Wahlrechtes bis auf den heutigen Tag, dass sie in politischen Führungspositionen noch stark unterrepräsentiert sind.

Sirimawo Bandaranaike

Und das ist auf dem gesamten Erdball so. Die erste Premierministerin der Welt wurde im Jahre 1960 Sirimawo Bandaranaike in Ceylon. Innerhalb eines europäischen Landes dauerte es bis zum Jahre 1980, als Vigdis Finnbogadóttir Präsidentin von Island wurde. Im November 2005 wurde Angela Merkel erste deutsche Bundeskanzlerin.

Der im Jahre 2014 gewählte Gemeinderat zeigt, dass zwar das passive Frauenwahlrecht gilt, dass es aber auch heutzutage noch gar nicht so einfach ist, die Sitze eines Kommunalparlamentes halbwegs gleichmäßig unter Männer und Frauen aufzuteilen. Archivfoto: Helmut Scheffler

Gründung im Jahre 1975

In der heutigen Großgemeinde Schermbeck war nach Gründung im Jahre 1975 nur Luise Engelbrecht als Frau an politischen Entscheidungen des Gemeinderates beteiligt. Gegenwärtig sind Frauen im Gemeinderat völlig unterrepräsentiert.

Unter den 26 Ratsmitgliedern befinden sich mit Hildegard Franke (CDU), Hildegard Neuenhoff (CDU), Petra Felisiak (SPD), Eva-Maria Zimprich (SPD), Ulrike Trick (Bündnis 90/Die Grünen), Britta Wegner (Bündnis 90/Die Grünen) und Martina Gelzeleuchter (BfB) nur sieben Frauen. Mit Britta Wegner (Bündnis 90/Die Grünen) und Petra Felisiak (SPD) gibt es inzwischen zwei Frauen an der Spitze einer der vier Parteien bzw. Wählergemeinschaften, die im Schermbecker Gemeinderat vertreten sind. Bei der SPD dauerte es bis zum März 2016, bis erstmals eine Frau den Parteivorsitz übernahm. H.Scheffler

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Heimatreporter
Unter der Artikel-Kennzeichnung "Heimatreporter" postet der Schermbeck-Dammer Helmut Scheffler seit dem Start dieser Online-Seite im Jahre 2013 Artikel über vergangene und gegenwärtige Entwicklungen der Großgemeinde Schermbeck. Seit 1977 schreibt der inzwischen pensionierte Mathematik- und Erdkundelehrer für Lokalzeitungen. 1990 wurde er freier Mitarbeiter des Lokalfunks "Radio Kreis Wesel", darüber hinaus hat er seit 1976 zahlreiche Bücher und Aufsätze zur Geschichte Schermbecks in niederrheinischen und westfälischen Schriftenreihen veröffentlicht. 32 Jahre lang war er Redakteur des "Schermbecker Schaufenster". Im Jahre 2007 erhielt er für seine niederrheinischen Forschungen den "Rheinland-Taler" des Landschaftsverbandes Rheinland.