Massive Kritik an der Staatsanwaltschaft

Die BP wusste mehr vom Verbleib der Ölpellets, als sie bislang zugestand

Die BP wusste mehr vom Verbleib der Ölpellets, als sie bislang zugestand

Je länger das Gerichtsverfahren gegen den Gahlener Abfallmakler H. am Landgericht Bochum dauert, desto deutlicher wird, dass dort auf der Anklagebank eigentlich gegen ganz andere Leute aus den Reihen der BP, der Staatsanwaltschaft Bochum und der Kontrollbehörden auf Bezirks- und Kreisebene verhandelt werden müsste.

Das, was sich bereits an den etwa letzten zehn der insgesamt 34 Verhandlungstage immer deutlicher herauskristallisierte, veranlasste in der jüngsten Sitzung auch ein Filmteam des WDR mitzuerleben, wie vom Verteidiger Nils Holtkamp die Handlungsweise der BP und der Staatsanwaltschaft kritisiert wurde.

Der regelmäßige Austausch des jeweils anwesenden Staatsanwaltes wurde auch diesmal fortgesetzt. So musste diesmal der Staatsanwalt Oelbermann die Kritik des Verteidigers wegstecken, die eigentlich seinem Kollegen Kolberg galt, der am 22. August den jetzt kritisierten Schriftsatz verfasst hatte.

Kolberg gehört zu jenen vier Bochumer Staatsanwälten, gegen die die Schermbecker Grünen eine Anzeige wegen „des Verdachts der Strafvereitelung im Amt nach den Paragrafen 258 und 258a des Strafgesetzbuches“ gestellt haben.

Die Abgrabung Nottenkämper am 2. April 2013. Luftbild: Helmut Scheffler

Beweismittel zurückhalten

Der Verteidiger machte in Richtung Staatsanwalt deutlich, dass er es für „unmöglich und rechtlich sehr bedenklich“ einschätze, wenn – wie geschehen – die Staatsanwaltschaft Beweismittel zurückhalte, die seinen Mandanten entlasten könnten, die BP aber schonten. Er verwies auf einen Ordner mit entlastenden Protokollen, die dem Verfahren und somit den Verteidigern vorenthalten wurden.

Untaugliche und falsche Beweise

In der anschließenden Einlassung des Rechtsanwaltes wurde der Staatsanwaltschaft vorgehalten, untaugliche und falsche Beweise heranzuziehen, „um irgendwie eine Kenntnis des Angeklagten zum Tatzeitraum über tatsächlich eben nicht bekannte Vorgänge zu konstruieren.“ Anhand mehrerer Beispiele belegte Holtkamp seine Behauptung. Am Ende seiner 20-minütigen Einlassung fasste Holtkamp zusammen: „Wie soll sich ein Angeklagter vernünftig verteidigen können, wenn ihm derart entlastende Beweismittel durch die Staatsanwaltschaft vorenthalten werden?“

Nach der Einlassung des Verteidigers wurde der Zeuge F. gehört, ein ehemaliger Mitarbeiter der Firma „Veolia“, die bei der BP das Abfallmanagement betrieb. F. sagte aus, dass alle Entscheidungen bei der BP lagen und die Veolia lediglich ein Vorschlagsrecht hatte. Laut Aussage des Zeugen waren BP-Mitarbeiter bei einem gemeinsamen Audit beim „Recycling Zentrums Bochum“ (RZB) und hätten dort in der Anlage die Ölpellets aus dem eigenen Betrieb gesehen.

700 Euro pro Tonne

Die BP-Mitarbeiter hätten von einem Mitarbeiter des RZB erfahren, dass die Pellets einer Sondermüll-Verbrennung zugeführt werden sollten. Die Aussage des Zeugen machte deutlich, dass die BP weit mehr von dem Verbleib und der Gefährlichkeit ihrer Ölpellets wusste, als bislang bekannt bzw. zugegeben wurde. Da die Sondermüllverbrennung Kosten in Höhe bis zu 700 Euro pro Tonne verursacht hätte, wurden die als eigentlich besonders überwachungsbedürftiger Abfall geltenden Ölpellets nach Mitteilung des Verteidigers als Produkt umbenannt bzw. als ungefährlicher Abfall eingestuft. Es habe, so der Verteidiger, nur die Zielsetzung bestanden zu tricksen, zu fälschen, zu betrügen, zu täuschen und zu erpressen, um „den steten Absatz dieses Giftmülls zu sichern.“

Wer im Gerichtssaal erwartet hatte, die Staatsanwaltschaft würde nun ein wenig mehr Verständnis für den Angeklagten zeigen, wurde enttäuscht. Im Gegenteil: Die Staatsanwaltschaft beantragte, die Anklage gegen H. bezüglich der Mengen zu erweitern. In der Begründung des Staatsanwaltes hieß es, dass zu befürchten sei, man könne den Angeklagten nach aktuellem Stand der Beweislage nicht verurteilen. Nach einer kurzen Beratungspause der Kammer teilte der Richter mit, dass die vom Staatsanwalt genannten Mengen schon einmal Bestandteil des Verfahrens gewesen seien. Weil man aber nicht sicher war, soll dies noch einmal überprüft werden.

Der beste Weg

Noch energischer als an den letzten Verhandlungstagen wies Richter Markus van den Hövel darauf hin, dass eine Einstellung des Verfahrens nach dem Stand der Dinge der beste Weg sei. Eine Zustimmung des Staatsanwaltes unterblieb. Sollte eine Einstellung nicht erfolgen, wird eine richterliche Entscheidung auf der Basis der Verhandlungen und der noch folgenden Plädoyers erfolgen. Eine solche Entscheidung hatte der Richter schon vor wenigen Wochen für den Monat September angekündigt. Derzeit läuft es aber eher auf den Monat Oktober hinaus. H.Scheffler

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Heimatreporter
Unter der Artikel-Kennzeichnung "Heimatreporter" postet der Schermbeck-Dammer Helmut Scheffler seit dem Start dieser Online-Seite im Jahre 2013 Artikel über vergangene und gegenwärtige Entwicklungen der Großgemeinde Schermbeck. Seit 1977 schreibt der inzwischen pensionierte Mathematik- und Erdkundelehrer für Lokalzeitungen. 1990 wurde er freier Mitarbeiter des Lokalfunks "Radio Kreis Wesel", darüber hinaus hat er seit 1976 zahlreiche Bücher und Aufsätze zur Geschichte Schermbecks in niederrheinischen und westfälischen Schriftenreihen veröffentlicht. 32 Jahre lang war er Redakteur des "Schermbecker Schaufenster". Im Jahre 2007 erhielt er für seine niederrheinischen Forschungen den "Rheinland-Taler" des Landschaftsverbandes Rheinland.