Kriegsflüchtlinge aus der Ukraine in Schermbeck

Sieben Kriegsflüchtlinge aus Kiew haben Gasteltern in Altschermbeck gefunden

Für die nahe Zukunft haben sie den Wunsch, den Kontakt zu Gleichgesinnten, die ihr Schicksal teilen und aus eigenem Erleben verstehen, zu finden.

Es sind Bilder, die derzeit die Welt erschüttern. Frauen und Kinder, die vor dem russischen Einmarsch in die Ukraine aus ihrer Heimat fliehen. Ihnen schlägt eine Welle der Hilfsbereitschaft entgegen. Auch in unserer Gemeinde.

Unterstützung von ihrer Gastfamilie

Vor zehn Tagen haben die fünf von ihnen – nach einer langen Odyssee – Schermbeck erreicht. Bei ihrer Flucht hatten die beiden Familien großes Glück. Jetzt kommen sie langsam zur Ruhe und versuchen, sich einzuleben so gut es geht. Dabei erhalten sie jede erdenkliche Unterstützung von ihrer Gastfamilie. Trotzdem ist es für alle nicht einfach. Immer noch sind sie, besonders die drei Kinder, von der langen Flucht und den Erlebnissen traumatisiert. Um die Schlimmen Erfahrungen auch mit Leidensgenossen aufarbeiten zu können, suchen sie Kontakt zu anderen Menschen aus der Ukraine.

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In Altschermbeck angekommen sind Bogdan, Katharina, Timothy, Maria und Marina (v.l.). Nun suchen sie Kontakt zu Gleichgesinnten. Foto: Petra Bosse

Der lange Weg ins Ungewisse

Die lange Reise startete in der ukrainischen Hauptstadt Kiew. Dort flohen Maria (40) und Katharina (42) mit ihren Kindern Timothy (9), Marina (10) und Bogdan (15) mit ihrem Auto. Alles, was ihnen am Herzen liegt – Haus, Freunde und ihre Ehemänner – mussten sie hinter sich lassen.

Als die beiden Frauen Kiew mit dem Ziel Frankfurt verließen, hörten sie ständig die Bomben im Hintergrund einschlagen. Bis zur Grenze nach Polen wurden die Ärztin und die Leiterin eines Logistikzentrums von ihren Ehemännern in einem zweiten Auto begleitet. Kurz vor der polnischen Grenze dann der tränenreiche Abschied. Die Männer fuhren nach Kiew zurück, um ihre Heimat zu verteidigen. Auf die Frauen und die Kinder warteten quälend lange Tage, bevor sie endlich sicheres Territorium erreicht hatten. Zwei Tage und Nächte standen sie mit ihrem PKW in der Schlange. In dieser Zeit lebten und schliefen sie in ihrem Auto. Dann endlich konnte die Fahrt Richtung Frankfurt fortgesetzt werden. Geplant war, in der Main-Metropole bei Verwandten unterzukommen. Doch bis sie schließlich dort ankamen, waren die zur Verfügung stehenden Räumlichkeiten bereits von anderen Flüchtlingen belegt.

Der Zufall half

Auch die nächste Hoffnung, bei einer Familie in Düsseldorf unterzukommen, zerplatzte wie eine Seifenblase. In der gesamten Landeshauptstadt fand sich keine Unterbringungsmöglichkeit. Nur durch einen großen Zufall bekamen die völlig erschöpften Flüchtlinge den Kontakt zu einer Altschermbecker Familie. Nach einem Anruf erklärte sich diese sofort bereit, Wohnraum zur Verfügung zu stellen. Kurzerhand wurde die Wohnung für die Gäste vorbereitet. Es musste Platz geschaffen werden, es wurde geschoben, geputzt und alles Brauchbare vom Dachboden geholt und aufgebaut. „Das schlimmste ist, dass wir nicht wissen, was morgen kommt“, sagt Maria. Schlimm seien auch die zwei Tage in der Schlange an der Grenze gewesen, berichtet Katharina, die Ärztin. Aktuell bestehe der einzige Kontakt zu ihren Ehemännern über das Telefon.

Und auch ein großer Teil der Häuser in ihrem Stadtteil bei Kiew seien letzte Nacht durch Bomben zerstört worden. Die aktuellen Bilder der Zerstörung erreichen sie auch im besinnlichen Schermbeck.

Großeltern sind auch in Altschermbeck angekommen

Eine Woche später kamen auch die Eltern von Katharina in Schermbeck an. Das Ehepaar, Tatjana (71) und Michael (72), ist von der Flucht immer noch stark traumatisiert. Tatjana kann ihre Tränen nicht zurückhalten, als sie von der Flucht aus ihrer Heimatstadt Kiew erzählt. Beide wollten eigentlich nicht fliehen, aber binnen weniger Stunden mussten sie ihre Wohnung und ihre Heimat verlassen. Ein Verwandter hatte ihnen Fahrkarten für den Zug besorgt.

Bis Lwiw konnten sie die Bahn nutzen. Den restlichen Weg bis zur Grenze, rund 70 Kilometer, mussten die älteren Herrschaften zu Fuß zurücklegen. Dort wurden sie von Bekannten abgeholt und nach Tschechien gebracht. Von dort ging es weiter über Wien und Düsseldorf.

Was die Zukunft bringt, könne niemand sagen, aber in einer Sache sind sich alle einig: „Wir möchten so schnell wie möglich wieder zurück in die Ukraine!“

Für die nahe Zukunft haben sie vor allen den Wunsch, Kontakt zu Gleichgesinnten, die ihr Schicksal teilen und aus eigenem Erleben verstehen, in Schermbeck zu finden. „Das gilt mehr noch für die Kinder, als für die Erwachsenen“, fügt Maria hinzu. „Ihnen würde die Abwechslung und der Kontakt zu Gleichaltrigen guttun.“

Jeder kann helfen

Was aktuell dringend benötigt wird, sind Schulsache wie Hefte, Bücher, Schulrucksäcke, Schreibzeug und Malstifte. Außerdem möchte die Familie mobil sein. Fahrräder seien zwar vorhanden, aber nicht straßentauglich. Es fehlen Ersatzteile wie Licht, Bremsen und diverse Kleinigkeiten, um die Zweiräder wieder gängig zu machen. Deshalb die Bitte: Wer noch Ersatzteile hat, darf sich gerne melden.

Und auch Katharina hat noch eine Bitte: „Es wäre wirklich schön, wenn unsere Kinder schnell in die Schule gehen könnten und wir einen kleinen Job oder eine Arbeit hätten.“

Wir möchten so schnell wie möglich wieder zurück in die Ukraine!