Pünktlich zur 1225-Jahrfeier wurde das Lippedorf um eine optische Attraktion reicher. Auf dem Parkplatz Törkentreck zeugt seit Samstag ein 14,50 Meter hoher Zunftbaum davon, dass es vor dem Zeitalter einer zunehmenden Dienstleistungsgesellschaft Handwerker waren, die in Gahlen den Lebensunterhalt für ihre Familien verdienten. Ein solcher Zunftbaum nach dem Typ, wie er im 16. Jahrhundert erstmals in Westfalen errichtet wurde, gibt es im Schermbecker Gemeindegebiet nur ein einziges Mal: in Gahlen.
Wertvolle Hilfestellung für den Planungsprozess gab es für die Heimatvereinsvorstandsmitglieder Jürgen Höchst und Ludger Jansen von dem Brüner Wolfgang Walter, der die Vorgehensweise beim Bau des Brüner Zunftbaumes detailliert erläuterte.
Die Begeisterung für einen Zunftbaum war entfacht, allerdings war es gar nicht so einfach, jemanden zu finden, der die Zunftschilder anfertigen konnte. „Gemalte Wappen wollten wir auf keinen Fall haben“, stand für den HV-Vorsitzenden Jürgen Höchst von Beginn an fest. Es sollten lediglich Konturen von den Handwerkerzeichen erstellt werden. Von Ludger Zens, dem Chef der im Schermbecker Heetwinkel ansässigen Firma „Moderne Metallgestaltung Ludger Zens“, erhielt der Gahlener Heimatverein die Anregung zur anschließend umgesetzten Gestaltung der Zunftzeichen.
Um einen sicheren Stand des Zunftbaumes zu gewährleisten, erstellte der Gahlener Diplom-Statiker Friedhelm „Bomber“ Vengels die Statik für den Mast, den Mastfuß und das Betonfundament. Diese statischen Berechnungen fügte Architekt Johannes Brilo den Unterlagen für die Baugenehmigung bei. Zwischenzeitlich hatte der Grundstückseigentümer Heinz Schult die Zustimmung zur Errichtung des Zunftbaumes auf seinem Grundstück erteilt.
Als der Heimatverein am 15. Juni 2011 die Baugenehmigung erhielt, blieb diese zunächst erst einmal in der Schublade liegen, da der Heimaterein mit der Sanierung des marode gewordenen gemeindeeigenen Mühlrades alle Hände voll zu tun hatte.
Bei den vorbereitenden Arbeiten gab es Unterstützung von mehreren Firmen. Georg Schwane, Nils Lindner und Frank Wesselbaum von der Firma Garten- und Landschaftsbau Eckhard Vornbrock erstellten das Fundament aus Beton, in das ein Fundamentkorb miteinbetoniert wurde. Diesen stählernen Fuß für die spätere Aufnahme des Holzstammes fertigte die Bestener Firma HDB Stahlbau. Im Januar 2013 wurde der Baum-Rohling mit schwersten technischen Hilfsgeräten auf dem Parkplatz Törkentreck aufgestellt.
Parallel dazu wurden zwölf Zunftzeichen von Ludger Zens am PC entworfen und von Mitarbeitern seiner Firma handgeschmiedet und zusammengeschweißt. Zum Schluss wurden die Schilder verzinkt und grundiert. Die Aufgabe, diese Schilder farblich zu gestalten, übernahm Hermann Heiligenpahl (oberes Foto) aus dem Gahlener Bruch. Der 64-jährige ausgebildete Maler lackierte im Lackier- und Trockenraum der Gahlener Firma „Tischlerei Ralf Becks“ die Zunftzeichen.
Am Samstagmorgen wurden die Zunftzeichen auf dem Parkplatz Törkentreck montiert. Der Brichter Josef Bodinka stellte kostenlos einen seiner Hubsteiger zur Verfügung. Jürgen Höchst sowie Christian Bleier und Fabian Dahlhaus als Mitarbeiter der Firma Zens verschraubten die sechs Trägerstangen an dem aus dem Gartroper Busch stammenden Zunftbaum. Jede der nach oben immer kürzer werdenden Trägerstangen dient zwei Zunftzeichen als Halterung. So erinnert der Baum an den Barbier und den Schmied (unterste Stange) ebenso wie an den Schreiner und Maurer (2. Stange von unten), an den Schneider und Schuster (3. Stange v.u.) an den Dachdecker und Maler (4. Stange v.u.) an den Bäcker und Müller (5. Stange v.u.) und an den Sattler und Bauer (6. Stange v.u.). Ein Kämpfer mit Schild und Schwert und ein Pflug bilden die Spitze des Zunftbaumes. Es handelt sich um eine Nachbildung jenes Schildes, das von dem Gahlener Paul Heckermann in den frühen 1930er-Jahren entworfen und in der Schmiede von Johann Neuhaus geschmiedet wurde und alljährlich den Gahlener Mai- und Erntekranz ziert.
Die Kosten für die Aktion Zunftbaum belaufen sich auf rund 12 000 Euro. Davon hat die Verbands-Sparkasse Wesel die Hälfte finanziert, nachdem ein Versuch der Gemeinde, Leader-Mittel zu bekommen, gescheitert war, Der Rest kam durch Sponsoren zusammen und dadurch, dass die Firmen entweder zum Selbstkostenpreis oder noch günstiger arbeiteten.
Um den Zunftbaum zu einem späteren Zeitpunkt beleuchten zu können, wurde eine entsprechende Kabelführung schon mit eingeplant.
„Die Arbeit hat sich gelohnt“, stellt Ludger Zens am Samstag fest und Reinhard Hoffacker als Vertreter des Vorstands der Verbands-Sparkasse drückte seine Anerkennung in der Banker-Sprache aus: „Hier haben wir eine gute Investition in Stahl vorgenommen.“ H.Sch.